Allgemein:
Eine Enduro gebraucht zu kaufen ist oft ein Risiko, da man, wenn man den
Vorbesitzer nicht kennt, nie weiß ob das Gerät der Begierde nur für den
täglichen Weg zur Arbeit genutzt wurde, oder täglich im Rallyetempo von
München nach Algier geprügelt wurde. Man weiß nicht ob das Gerät fachgerecht
gepflegt und gewartet wurde, (regelmässige Ölwechselinterwalle
garantieren ein längeres Motorenleben), oder ob der Vorbesitzer das Motto:"
Hauptsache läuft noch " vertritt.
Die Fahrweise des Vorbesitzers ist auch ein heikles Thema, fuhr er den
Motor immer schön warm und vermiet Vollgasattacken, oder drehte er den
Motor schon nach dem Anlassen lässig in den roten Drehzahlhimmel und brauchte
das Vorderrad nur, damit er an der Ampel nicht umkippte. Manch einer findet
es ja auch so toll, das bei extremem untertourigem Hochbeschleunigen,
der tuckernde, ballernde Sound doch so schön ist, sich dann aber wundert,
daß die Kurbelwellenlager und das Pleullager ausgeschlagen sind - das
wird schön teuer.
All das sind Aspekte,
die bei einem Chopper oder einer Boxer BMW selten zu berücksichtigen sind.
Trotzdem kann man, wenn man einige Schlichen kennt auch echte Schnäppchen
machen und wirkliche Perlen günstig an Land ziehen.
Die XT600 Modelle,
ob nun die normale oder die Ténéré-Version, waren Anfang der 80`er bis
Mitte der 90`er absolut erste Wahl, sie waren vom Motor her leistungsstark,
robust und für jedermann gut zu warten, selbst größere Reperaturen kann
der Laie ziemlich problemlos und ohne grosses Knowhow selber durchführen,
das schont den Geldbeutel, was die XT besonders für Studenten oder andere
kostenorientierte Fahrer interessant machte.
Die XT fährt einfach
immer und der Spritverbrauch ist selbst unter heutigen Aspekten sehr gering.
5-5,5, maximal 6 Liter des kostbaren Saftes sind bei den heutigen Spritpreisen
noch kulant. Das Fahrwerk mit den langen Federwegen schluckt fast alles,
was unter die Räder kommt und verzeiht so manchen Ausrutscher. So ausgestattet
ist es kein Wunder das die XT600 ein absoluter Dauerbrenner unter den
Enduros wurde.
Der tägliche Weg zur
Arbeit, die sonntägliche Tour über Straße oder Geröll, sowie eine ausgedehnte
Urlaubsreise in die entlegensten Gegenden der Erdkugel sind immer auf
ihrer Angebotsliste, je nach Bedarf. Ein echter Kumpel, auf den man sich
immer verlassen kann und wen sie einmal in ihren Bann gezogen hat, der
will sie nicht mehr missen, oder vergißt sie zumindest nie mehr.
Allgemeine Tips
beim Kauf einer XT:
Der Allgemeinzustand ist schon sehr wichtig. Macht das Moped einen gepflegten
Eindruck oder sieht man ihr an, daß sie bei jeder Witterung im Freien
stand. Dann sind i.d.R. blanke Stellen am Rahmen und an den Hebeln mit
Flugrost versehen. Die Plastikteile sind von der Sonne und der Witterung
ausgeblichen, die Faltenbälge sind eher porös, der Sitzbankbezug hat auch
schon leichte Risse und Wasser ist schon in den Schaumstoffkern eingezogen.
Dieser wird nun bald in sich zusammen fallen. Die Kette kann bei mangelnder
Pflege schon rostig und die Glieder steif sein, dies trägt nicht zum Fahrspaß
bei. Ein Garagen-, oder regelmässig im Winter untergestelltes oder abgedecktes
Fahrzeug ist meistens im besseren Zustand. Ein verschrammter Motorschutz
deutet auf Geländefahrten hin.
Zubehörteile/nicht-serienmäßiges:
Viele Teile wie z.B. Auspuff/Krümmer, Federelemente, große Tanks, sind
eintragungspflichtig. Fehlen entsprechende Eintragungen oder ABE's wird's
bei der nächsten Polizeikontrolle kritisch.
Kontrolle des Rahmens:
Gründlich auf saubere Schweissnähte achten, nicht daß da ein Rahmenbruch
vertuscht werden soll, auch extreme Nachbesserungen sind verdächtig. Das
Fahrzeug aus mehreren verschiedenen Positionen über mindestens 2-3 Punkte
auf Gradlingkeit prüfen, nicht das die XT alleine um die Ecke fährt.
Und (eigentlich selbstverständlich): die am Lenkkopfrohr eingeschlagenen
Rahmennummer mit der Nummer im Brief vergleichen!
Kontolle der Federelemente:
Die Gabel auf stufenfreies und gleichmässiges Ein- und Ausfedern
überprüfen, wenn möglich die Faltenbälge unten etwas lösen und nach dem
Einfedern der Gabel die Simmeringe auf Dichigkeit überprüfen. Zum Überprüfen
des Federbeins die Heckpartie mit Kraft schnell nach unten drücken und
das Ein- und Ausfedern überprüfen, der Dämpfer muss spontan einfedern
und dann ohne grosses Nachwippen leicht gedämpft wieder ausfedern. Die
Verstellmöglichkeiten am Dämpfer (Gewinde und Nuten) sollten nicht beschädigt
sein, auch sollte der Dämpfer Öl und Fett- frei sein, so etwas deutet
auf Undichtigkeit hin.
Kontrolle der Elektrik:
Blinker, Hupe, Bremslicht, Zündschloss, Beleuchtung der Instrumente,
Kontrolleuchten und auch sonstiges sollte ohne Probleme direkt ansprechen
und funktionieren.
Kontrolle der Bremsanlage:
Beim Betätigen der Vorderradbremse sowie der Scheibenremse hinten sollte
ein deutlicher Bremsdruck fühlbar sein. Die Bremsleitung sollte keine
Schleifspuren oder andere Beschädigungen aufweisen. Sie sollte absolut
knickfrei verlegt sein, das kann sonst lebensgefährlich sein, ebenso sollte
der Bremsflüssigkeitsbehälter keine Undichtigkeiten aufweisen. Ruhig kräftig
pumpen, nur zum Test.
Die Bremscheiben können bei einer Enduro schon mal leichte Riefen aufweisen,
diese sollten jedoch im Rahmen bleiben. Unbedingt die Scheibe auf Seitenschlag
prüfen (ach diese guten Bremscheibenschlösser), auch auf die Dicke
der Scheibe ist zu achten, nicht das da eine Bremscheibe mit Dicke eines
Kartoffelchips den heissen Kampf gegen die Passabfahrt verliert.
Bei der Trommel der älteren Modelle sollte man auf gutes Ansprechen und
bei Lockerlassen des Fußbremshebels sollte sich auch sofort die Bremse
lösen, auch auf Pulsieren bei der Probefahrt achten. Überhaupt sollte
man auf jeden Fall bei der Probefahrt ausgiebig die Bremsen prüfen - GANZ
WICHTIG!!!!!
Kontrolle der Räder:
Gerade bei einem Speichenrad sollte man darauf achten, daß die Felge
nicht irgendwelche Extremverformungen aufweist, wobei ein Seiten- und
Höhenschlag von bis zu 2 mm noch zulässig ist. Ebenso sollte man die Felgen
genau auf Brüche oder leichte Risse kontrollieren. Gerade bei den ersten
XT's und Ténéré's von Bj. 83-84 (XT nur Bj 84) kam es bei den goldeloxierten
Felgen an den Speichenansätzen zu erheblichen Rissen, dieses wurde ab
Bj. '85 verbessert mit anderer Felgenform (nicht mehr eckig). Die Speichen
sollte man sicherheitshalber auf ihre Festigkeit prüfen, einfach mit einem
Schraubenzieher oder Ähnlichem die Speichen "abklappern", sie sollten
alle schön singen, eine lose Speiche paßt nicht ins Tonbild. Die Bereifung
ist so eine Sache, das sollte jeder selbst entscheiden. Allerdings sollten
die montierten Reifen mit den Eintragungen im Schein übereinstimmen. Ein
abgefahrener Reifen ist kein Weltuntergang und kann den Preis auch noch
gut drücken, dann lässt man sich vom gespartem Geld die persönliche Reifenwahl
aufziehen.
Kontrolle des Lenkkopflagers:
Diese Aktion sollte nun jedoch jeder machen, denn ein zu festes oder loses
Lager kann einen schweren Sturz nach sich ziehen und die Neumontage ist
aufwendig. Einfach die Maschine über den Seitenständer nach hinten ziehen,
so daß das Vorderrad in der Luft hängt, dann den Lenker mit Gefühl nach
links und recht drehen und auf lockere und leichte Funktion achten. Achtung,
es darf kein Widerstand oder eine Rastung spürbar sein! Wenn man jemanden
dabei hat (4 Augen sehen immer mehr als 2), sollte bei Auf- und Abbewegungen
und Rütteln an der Gabel im entlasteten Zustand kein Spiel im Lenkkopflager
spürbar sein.
Kontrolle anderer
Lager:
Auch die Radlager sollte man dringenst untersuchen. Einfach von der Seite
her versuchen, die Räder zum Achsenausgang zu drücken, es darf kein Spiel
vorhanden sein.
Das Schwingenlager
ist auch noch wichtig, da die Erneuerung kostspielig ist und nur von Fachleuten
vorgenommen werden sollte. Außerdem kann sich das Motorrad beim Abbremsen
eigenartig verwinden, wäre ein Lager defekt. Man prüft dies, indem man
die XT startet, sich daneben stellt, das Teil festhält, den Seitenständer
einklappt, den ersten Gang einlegt und die Kupplung leicht kommen läßt,
mit ein wenig Gas, grademal genug, um eine leichte Kraft auf den Antrieb
zu übertragen. Wichtig, dabei den Hebel der Vorderradbremse gezogen halten!!!!
Wenn jetzt der Antrieb greift, hebelt die Schwinge nach unten aus, dabei
ist zu beachten das das Spiel nicht allzu groß ist. Geht die Schwinge
im Rahmen um 1-1,5 cm hoch ist das Lager defekt und verrichtet seine Arbeit
nicht mehr richtig. Auch die Umlenkhebel kann man so prüfen, wenn ein
Zweiter dabei ist. Überhaupt sollte man darauf achten, daß die 5 mit Schmiernippeln
versehenen Lager gut gefettet sind, also Reste von frischem Fett aufweisen
und nicht trocken sind.
Kontrolle des Motors:
Leider kann keiner in den Motor hinein sehen und so schon von vorn
herein die kleinsten Getriebeausbrüche erkennen, aber manche Sachen kann
man schon erhören.
Erstmal sollte der Kilometerstand natürlich nicht allzu hoch sein, ab
50 tkm Laufleistung kann man sich schon darauf einstellen, daß früher
oder später eine Motorüberholung fällig ist, die dann mit mindestens 2
TDM zu Buche schlägt. Bei schon überholten Motoren immer die Rechnungen
zeigen lassen, denn erzählen kann man viel. Der Kilometerstand sollte
schon mit dem Zustand des Fahrzeuges etwa identisch sein, sonst stimmt
da meistens was nicht. Der äußere Zustand des Antriebsaggregares ist auch
schon aufschlussreich, so sollte er von Abschürfungen und Lackabplatzern
am Kurbelgehäuseteil verschont sein, Lackabplatzer am Zylinder können
schon mal sein und haben nur etwas mit der Wärme des Zylinders zu tun.
Auch Öllaufspuren können auf defekte Dichtungen hinweisen, also GRADE
DIESE Stellen, besonders die Kopfdichtung, in Augenschein nehmen, auch
mal einen Blick in die Wanne des Motorschutzes werfen, ob da JR Ewing
fündig werden würde, denn alle Ölundichtigkeiten sind gefährlich, ärgerlich
und teuer!!!!
Der Motor sollte beim Probestarten immer kalt sein, nur so kann man ein
Lagerspiel der Kurbelwelle, Nockenwellenschaden und ein zu großes Kolbenspiel
einwandfrei feststellen, denn mit anwachsender Motorwärme dehnen sich
die Materialien aus. Achtung, eine XT600 hat einen relativ großen Kolbendurchmesser,
der schon im Neuzustand leicht kippeln kann (macht also leichte Klappergeräusche,
diese müssen jedoch nach kurzer Laufzeit im Stand leiser werden). Ein
anhaltenes Schlagen des Kolbens deutet auf sein nahes Ende hin, oder man
hat den gleichen Verbrauch an Öl wie an Benzin. Der Motor sollte mit gezogenem
Choke nach leichter Betätigung des E-Starters ohne langes Orgeln anspringen,
er kann dabei ruhig 1-2 Mal ausgehen, das ist für eine XT nichts Besonderes.
Danach sollte er aber ruhig mit konstanter Leerlaufdrehzahl vor sich hin
brabbeln. Bei den Kickstarter-Modellen sollte man darauf achten, daß der
Hebel locker und ohne Hacken runter zu treten geht und das die automatische
Dekompression gut funktioniert. Beim dritten Kick sollte das Teil schon
spätestens anspringen. Nun auf die Probefahrt, nach ca. 1,5 Kilometern
sollte man den Choke wieder zurücknehmen können, ohne daß der Motor abstirbt.
Auf direkte und gute Gasannahme achten, auch im kaltem Zustand. Den Motor
schön in allen Drehzahlen mal fahren und darauf achten, daß sich alle
Gänge gut schalten und ohne Geräusche und Hacken fahren lassen. Achtung,
das XT-Getriebe ist ein rauher Geselle und will mit ewas Kraft geschaltet
werden, so mancher Hondafahrer würde da einen Schreck bekommen, aber so
lieben wir sie nun mal unsere XT. Deshalb gibt es auch jedesmal ein gut
zu hörendes "KLACK" beim Einlegen des ersten Gangs - alles normal. Das
Getriebe sollte jedoch keine jaulenden Geräusche machen, besonders der
5'te Gang ist für seine Auflösungserscheinungen nach 60.000 km bekannt
(ab Bj. '90 wurde jedoch eine extra kühlende Öleinspritzung auf das 5'te
Gangradpaar verbaut, was das Problem behob). Der Kolben kann je nach Fahrweise
sogar eine Laufleistung von100.000 km erreichen. Ansich ist dieser Motor
der robusteste unter den Enduros und macht eigentlich wenig Probleme!!!
Aber: Die Tènéré-Modelle der Baujahre `86 und `87 hatten große Probleme
mit der Thermik und so gehören die Motoren dieser Modelle nicht zu den
Besten. Aber auch da gibt es Mittel und Wege das Debakel zu bekämpfen
. Auch ist es nicht schlimm, wenn der Vorbesitzer seinen alten Motor zum
Mond getreten hat und sich statt dessen den eines anderen Modelles mit
weniger Kilometerleistung eingebaut hat, denn diese passen bedingt untereinander
( siehe unter Schraubertipps: Motorentausch
), nur gut gemacht sein sollte es. Eine 'alte' XT (bis Bj. 90) mit einem
Motor ab Bj. 90 (3TB, 3UW) ist sowieso die optimale Lösung.
Zum Schluss noch
mal was ganz Allgemeines:
Nicht immer macht man ein "Schnäppchen" wenn man ein tolles altes Modell
ergattert hat was erst 8.000 km auf der Uhr hat und 5 Jahre immer nur
im beheiztem Keller gestanden hat, denn gerade diese Teile werden zu fahrenden
Kreditinstituten, da durch die lange Standzeit einfach alle Gummiteile
und Simmeringe ausgehärtet und porös sind. Das fängt mit den Ansaugstutzen
an, geht über die Vergasersimmeringe, Dichtungen, Vergasermembrane, Faltenbälge,
Sitzbankbezüge, bis zu den Schläuchen in den Reifen, sogar die Isolierung
der Lichtmaschine wird porös, da sie trocken liegt. Ein teurer Spass,
da ist manche XT, die täglich gefahren wird, die bessere Wahl.
Wenn ihr diese Tips beim Gebrauchtkauf berücksichtigt, dürftet Ihr eigentlich
viel Spass haben an Eurer XT600!!!
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